Ein Stück New York und London nach Wien zu bringen, war der Plan der Wiener Linien im Jahr 2017. In diesen Städten haben Straßenkünstlerinnen und Straßenkünstler in U-Bahn-Stationen schon länger Tradition. Während der Pandemie wurde die Aktion, bis auf ein paar Open-Air-Auftritte im Sommer, stillgelegt. Nun musizieren die U-Bahn-Stars wieder in den Stationen. Vor kurzem fand auch wieder das erste Casting seit der Pandemie statt, bei dem 15 neue U-Bahn-Stars ausgewählt wurden, die ab Juni in den Stationen spielen werden.
Derzeit gibt es 77 aktive U-Bahn-Stars. Jährlich bewerben sich über 100 Bands mit den unterschiedlichsten musikalischen Hintergründen. Für die rein instrumentalen Musikerinnen und Musiker ist es aufgrund der Maskenpflicht in den Stationen derzeit wesentlich leichter zu performen. Popsänger Daniele Bianchi nimmt die Maßnahmen aber in Kauf, um auftreten zu können. „Ich möchte den Fahrgästen mit italienischer Musik Freude bereiten und deren Alltag etwas verschönern können“, erzählte Bianchi gegenüber wien.ORF.at.
Fünf Jahre U-Bahn-Stars
Für Sängerin Alexandra Valiente kam das Projekt der Wiener Linien im Sommer 2017 sehr gelegen. Kurz davor entschieden sie sich dafür, auch als Straßenmusikerin in Wien aufzutreten. Ursprünglich kommt die Künstlerin aus Argentinien und singt vor allem lateinamerikanische Songs und Oldies bei den unterschiedlichsten Events.
Als U-Bahn-Star konnten sie bei den Fahrgästen schnell ausschließlich positive Reaktionen beobachten. Valiente freut es, dass aufgrund ihrer Musik an den U-Bahn-Stationen die unterschiedlichsten Leute aus den Berufsfeldern zusammenkommen. Auch Menschen, die sich sonst kein Konzert leisten könnten, würden so die Möglichkeit bekommen, Live-Musik zu erfahren. Viele Fahrgäste kämen nach dem Auftritt zur Künstlerin, um sich persönlich bei ihr zu sehen, erzählte Valiente.
Werbung für Künstlerinnen und Künstler
Bis auf die freiwilligen Spenden der Fahrgäste erhalten die U-Bahn-Stars keine Bezahlung. Dass Straßenmusiker keine feste Gage erhalten, ist wohl der schwierigste Aspekt an der Tätigkeit. Laut Valiente haben die U-Bahn-Stars aber den Vorteil, dass der Spot unter Dach ist und somit die Wetterbedingungen keine Rolle spielen. Auch auf die Sicherheitskräfte in den U-Bahn-Stationen kann sich die Künstlerin verlassen.
Die Spielorte brächten den U-Bahn-Stars jedoch jede Menge Bekanntheit, meinte Lisa Schmid von den Wiener Linien. Einige der Bands hätten sich durch das Projekt ihre ersten Studioaufnahmen verwaltet oder unterschiedliche Gigs bekommen. Sie haben auch die Möglichkeit, die eigenen Webseiten und Instagramprofile auszustellen. Im Gegensatz zu Wiens Straßen seien in den U-Bahn-Stationen auch Verstärker erlaubt, erklärt Bianchi. Er konnte durch seine Auftritte Aufmerksamkeit erlangen und schnell alle seine CDs verkaufen.
Neue Spots in Planung
Die Wiener Linien sind derzeit auf der Suche nach neuen Spots für die U-Bahn-Stars. Bereits im Sommer sollen neue eröffnet werden. „Die Plätze müssen aber mit dem Betrieb abgestimmt werden, sodass ein sicherer Öffi-Betrieb jederzeit möglich ist“, erklärte Schmid.
Bei der Auswahl der Stationen achte Mann darauf, dass die Stationen einigermaßen belebt sind, sodass die Sängerinnen und Sänger auch tatsächlich vor dem Publikum spielen können. Wichtig sei aber auch, dass genügend Platz für die Fahrgäste bleibt, damit diese beim Umsteigen nicht gestört werden. Laut Schmid sind vor allem größere Knotenstationen, wo mehr Leute zusammenkommen, bei den U-Bahn-Stars beliebt. Das bestätigte auch Valiente. Zu ihren Lieblingsspots zählen die Stationen Westbahnhof, Stephansplatz und Karlsplatz.
Über 30 Kunstobjekte
In Wiens U-Bahn-Stationen sind auch einige Kunstobjekte zu finden. Diese sollen für die einzelnen Stationen Identität stiften, Wissen vermitteln und zur Auseinandersetzung anregen, so die Wiener Linien. Ziel sei es vor allem, die Fahrt kurzweiliger und abwechslungsreicher zu machen. Seit 1991 haben die Wiener Linien über 30 zeitgenössische Kunstwerke an unterschiedlichen Stationen installiert.
Ein bekanntes Kunstwerk ist die Wandmalerei am Karlsplatz. Sie hat einen „freskohaften“ Charakter und passt zur architektonischen Situation der langgezogenen Karlsplatzpassage. Laut Künstler Ernst Caramelle entsteht durch die asymmetrischen Farbfelder eine neue Raumerfahrung, die durch die gegenüberliegende verspiegelte Wand noch einmal verstärkt wird. Die Komposition kann je nach Blickwinkel auf individuelle Weise und im Fluss der Gehbewegung erfasst werden.
Spiel mit Asymmetrie und Geschichtsvermittlung
Bei der U1-Station Troststraße findet man das Objekt „Lines and Double“, das wohl nicht auf den ersten Blick als Kunstwerk ins Auge sticht. Es wurde 2017 installiert und vom Künstler Michael Kienzer designt. Gleich neben den zwei Liftkonstruktionen aus Stahl und Glas errichtete er weiteren einen Schacht aus Baumaterialien. Hinter dem Sicherheitsglas befinden sich mehrere Stahlprofile, die den Schacht als eine verzerrte Version der Liftkonstruktion wirken lässt.
Die U-Bahn-Station Westbahnhof, die unter dem Europaplatz liegt, zeigt das Kunstwerk „Ca. 55 Schritte durch Europa“, das bereits im Jahr 1993 errichtet wurde. Anlass war die seit den 1980er Jahren bestehende Diskussion über den Beitritt zur EU. Ein 40 Meter langer Fries mit Malerei, Objekten und Skulpturen erzählt die Geschichte der europäischen Menschheit und stellt verschiedene Epochen künstlerisch dar. Für die Darstellung des Mittelalters baut der Künstler Adolf Frohner ein Aktionsrelikt aus seinem Atelier ein.
Weitere Kunstwerke in U5-Stationen
Die Wiener Linien arbeiten mit dem KÖR (Kunst im öffentlichen Raum) zusammen. Die Kunstwerke werden im Rahmen von Wettbewerben, zu denen der KÖR einlädt, von einer Jury ausgewählt. Im Zuge der U-Bahn-Planung definieren die Wiener Linien und KÖR gemeinsame Flächen, die für Kunstwerke vorgesehen sind. Je nach Platzierung müssen die Kunstwerke auch gewisse statische Bedingungen oder Brandschutzerfordernisse erfüllen.
„So wie die U-Bahn Menschen zueinander bringt, kann auch die Kunst Menschen verbinden“, hieß es von den Wiener Linien. Somit werde es auch in den neuen U5-Stationen weitere Kunstwerke geben. Wo genau, ist noch offen und wird gemeinsam mit dem KÖR definiert.
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