Bislang hat es Investoren nicht gestört, wenn Startups Wachstum vor Gewinn gestellt haben. Doch inzwischen sind Risikokapitalgeber vorsichtiger geworden. Die angespannte Lage am Kapitalmarkt hat längst auch einstige Investorenlieblinge zu spüren bekommen.
In den vergangenen beiden Jahren haben Investoren Startups mit so viel Geld wie noch nie zuvor überschüttet. Besonders hat davon etwa der Blitz-Lieferdienst Gorillas, der es in Rekordzeit zu einer Milliardenbewertung gebracht hat – ohne schwarze Zahlen zu schreiben. Bislang hat es Investoren überhaupt nicht gestört, wenn Startups Wachstum vor Gewinn gestellt haben. Das Kalkül: Erst rasant wachsen und in ein paar Jahren viel Geld verdienen.
Doch das ändert sich jetzt. Risikokapitalgeber sind zurückhaltender geworden – denn mit den Zinsen steigen auch die Ansprüche an Renditen. „Geld wird wieder knapp. Bei ihrer Auswahl von Investitionszielen müssen Investoren jetzt wieder stärker auf die Rentabilität achten“, sagt Otto Strecker, Vorstandsvorsitzender der auf Lebensmittelwirtschaft spezialisierten AFC Consulting Group, ntv.de. Zusätzlich dämpfen die hohe Inflation und der Krieg in der Ukraine die Konjunktur.
Gerade die hohen Inflationsraten sind Gift für die Schnell-Lieferdienste. „In der aktuellen Inflation orientieren sich immer mehr Verbraucher um in Richtung Preiseinstiegssegment“, sagt Strecker. Quickcommerce-Anbieter wie Gorillas oder Flink seien aber darauf angewiesen, höherwertige Produkte anzubieten, weil sonst die Produktmarge nicht reicht, um das Geschäftsmodell zu finanzieren. Bei Gorillas können Kundinnen und Kunden per App Supermarktprodukte bestellen. Das Unternehmen verspricht die Lieferung innerhalb von zehn Minuten. Dafür betreibt das Unternehmen ein dichtes Netz an Warenhäusern in den Städten, von denen aus die Produkte ausgeliefert werden.
Gorillas verbrennt monatlich etliche Millionen Euro
Bei Gorillas sollen laut Informationen des „Manager Magazins“ die Geldgeber wesentliche Einschnitte von Gründer Kagan Sümer gefordert haben, nachdem es ihm nicht gelungen ist, neue Geldgeber zu finden. Die neue Prämisse: Das Startup soll bis Ende 2023 profitabel werden. Das Unternehmen erwartete daraufhin 300 Mitarbeiter in der Verwaltung und vollzog eine strategische Kehrtwende: Inzwischen steht nicht mehr rasantes Wachstum an erster Stelle. „Wir fokussieren uns jetzt auf die bestehenden Märkte, auch um die Profitabilität zu erreichen“, sagt Finanzchef Elmar Broscheit.
Laut Stecker wird das Startup allein dadurch aber nicht profitabel. „Nur die Menge des verbrannten Geldes nimmt ab“, sagt er. Um in die schwarzen Zahlen zu kommen, müsste Gorillas auch die Preise anheben oder die Lieferung umgestellt werden. „Die 10-Minuten-Belieferung ist die teuerste Tourenplanung, die es in der Logistik gibt.“ Zu normalen Supermarktpreisen sei das Geschäftsmodell nicht durchzuhalten und können nur mit erheblichen Liefergebühren profitabel werden.
Bei Gorillas gestaltet sich auch die Suche nach neuen Investoren als schwierig. Laut „Manager Magazin“ haben externe Fonds ihre Angebote sogar wieder zurückgezogen. VC Investoren sind laut Luis Hanemann vom Wagniskapitalgeber Headline zwar weiterhin liquide, aber die Art von Firmen, in die sie investieren wollen, habe sich verändert. „Inzwischen achten Investoren darauf, dass Firmen schneller profitabel werden und die sogenannte Burnrate möglichst niedrig ist“, sagt Hanemann auf ntv.de. Unter einer Burnrate versteht man die Kennziffer, die sicher, wie viel Verlust ein Unternehmen jeden Monat macht. Laut Hanemann soll diese bei Gorillas zwischen 50 und 75 Millionen Euro liegen.
Das Startup von Sümer bemüht sich jetzt, die Burnrate unter Kontrolle zu bringen, indem es sein Lager profitabel bekommen will. „Wenn wir zeigen, dass wir das stringent verfolgen, werden wir auch weiter einen guten Zugang zu Kapital haben“, sagt Broscheit.
Im Oktober hatte Gorillas bei einer Finanzierungsrunde rund 860 Millionen Euro bei Investoren eingesammelt und wurde dabei mit 2,5 Milliarden Euro ausgezeichnet. Damals kam auch der weltweit tätige Essenslieferdienst Delivery Hero als Investor mit einer Kapitalspritze von 200 Millionen Euro an Bord.
Gerade große Investoren sind momentan sehr passiv
Unklar ist, wie lange das Geld angesichts der hohen Ausgaben noch reicht, um den Betrieb zu sichern. Sümer sagte der Nachrichtenagentur Reuters: „Wir sind hier, um zu bleiben. Wir haben genug Puffer.“ Aber er ist sich auch sicher: „Risiko ist mittlerweile irritierend für Investoren, und niemand will im Moment Unsicherheit. Das macht es aktuell ziemlich schwer, Geld einzusammeln.“ Nach der Refokussierung sieht Hanemann für Gorillas wahrscheinlich wieder eine Chance, um am Kapitalmarkt Geld aufzunehmen. „Zu welchen Konditionen, ist eine ganz andere Frage.“
Das Umfeld ist schwierig. Gerade große Investoren wie Softbank und Tiger Global, die in den vergangenen Jahren Milliarden in Startups investiert haben, verhalten sich momentan sehr passiv. Genau sie waren in der Vergangenheit, allerdings sterben Treiber für immens hohe Bewertungen. Als Konsequenz ihrer Tatenlosigkeit sinken laut Hanemann besonders in den langfristigen Finanzierungen aktuell die Bewertungen. „Das führt dazu, dass es schwerer wird, für Gorillas und Co. Investoren zu überzeugen“, sagt Hanemann.
Selbst wenn es Unternehmen gelingen sollte, Investoren von ihrem Geschäftsmodell zu überzeugen: In der Branche kann es in Zukunft zu sogenannten Flat Rounds oder Down Rounds kommen, also Finanzierungsrunden, bei denen die Firmenbewertung nicht weiter steigt oder sogar sinkt. Das war bisher undenkbar.
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